...allaweil, um da hanne mal e'weng guldur ausm muschdalendle bade zu bringe:
De Jens Schönemann
Er hat's net leicht mit uns, de Jens Schönemann von do obe aus'm Norde irgendwo. Mit
sei'm Hannoveraner Dialekt, der für uns so klingt, als däd ainer mit'me scharfe
Rasiermesser in de Luft rumfuchtle. Mit sei'm schnelle Mundwerk kann der sich bloß
verständlich mache, aber net g'scheit ausdrucke. Mer versteht halt nur genau, was er
sage will, mehr net. Mit kai'm Zwischetönle kriegt mer zum Beispiel mit, wie der
sich beim Schwätze so fühlt.
Es isch doch en Unnerschied, ob jemand sagt: "Ich bekomme eine Wut", oder ob ainer
brüllt: "I könnt grad uff de Sau devoreite! " Do sieht mer doch was vor sich. Dem
kann mer doch förmlich zugucke, wie er d'Herrschaft über sich verliert. Mer kriegt
Angscht un halt de Mund. Oder mer könnt halt uff de selbe Sau devoreite un brüllt
zurück. Und dann gibt's en prima Krach, von dem alle was habe. Bei uns isch d'Wut
halt scho in de Sprach. Aber lieber Gott, wenn ainer erscht ankündige muß, er tät
eine Wut bekomme - des glaubt hier kain Mensch.
Dem Jens fehlt's vor allem am richtige Wortschatz. Er bräucht mehr Wörter, die ganze
Sätz überflüssig mache, weil mer scho hört, was se bedeute. Was isch zum Beispiel
dem Jens sein "antriebsloser Mensch" gege mein "Labbeduddl"? Wo der zwai stramme
Wörter braucht, komm ich mit'me schlaffe Wörtle dere Sach näher. Ja gibt's denn was
schlafferes, was lätschigeres als en Labbeduddl? Den sieht mer doch direkt vor sich
im Sessel hänge. Mein Jens gibt sich Müh, unser Sprach zu lerne. "Lappentuttel", hat
er kürzlich sogar gsagt. Es hat geklungen wie vom Computer ausgedruckt.
Also bedeutungsmäßig isch unser Sprach dem Jens sei'm Dialekt schon überlege. Gege
en "Furzklemmer" isch en Mensch, der bloß normal "geizig" isch, beinah spendabel. Un
en "Muckebatscher" verquetscht e Muck halt rückstandsloser als eine "Fliegenklappe".
Außerdem haut mer viel lieber uff e " Muck " als uff e " Fliege ", weil sich's mehr
rentiert. Un weil Mucke steche, wenn se Schnoke sin. Aber des isch noch e bissl
kompliziert für de Jens Schönemann.
Manchmol hör ich'm gar net zu. Ich beobacht nur sei G'sicht beim Schwätze. Es muß
arg anstrengend sei, wenn sich ainer so deutlich ausdrücke will. Bei jedem Laut muß
der jo extra de Mund verziehe un d'Lippe bewege. Daß jo kai a, e, i, o, u, ü oder ö
verschnuddelt, also unklar artikuliert wird. Also ich wär ziemlich wortkarg, wenn
ich dauernd Sätz wie: "Schau mal in die Tüte, da ist ein Bonbon drin" sage müßt. Mir
wär des zu mühselig. Ich stell de Mund am Satzanfang uff en dunkle Vokal. Was
sperrig isch, laß ich aifach wegfalle. Ich seh net ei, daß ich mir bloß wege de
Deutlichkait 's Maul verreiße soll. Ich arretier praktisch de Kiefer im mittlere
Bereich. "Guck mol 'n d'Guck, do'sch e Gutsl. " Des flutscht mir am Stück so raus,
ohne daß sich um de Mund rum groß was bewegt. Oder habe Sie was g'seh?
Aber wie g'sagt, de Jens bemüht sich. De aktive Wortschatz isch noch ziemlich
dürftig. Immerhin, beim Hörverstehe hat er schon erstaunliche Fortschritte g'macht.
So en klare, simple Satz wie "Alla, trink voll leer!" hätt'n vor e paar Monat noch
schwer imitiert. Heut macht er's. Un so e Szene wie domols, wo ich'm beim Umzug
g'holfe hab, könnt sich heut nimme widderhole.
Mir habe g'möbelt un Bücher geschleppt. "Heb mol die Babbedecklschachtel do! ", hab
ich zu'm g'sagt. "Wie bitte? Was soll ich?", hat er mich groß a'geguckt. "Die
Babbedecklschachtel hebe, nur en Moment." Ich hab se'm rübergebe, daß er's kapiert.
"Ach so, du meinst den Karton. Aber wieso soll ich denn ... ? " Do hat er die schwer
Schachtel mit dene Bücher schon bis vors G'sicht hochg'stemmt. Höher hat er's
kräftemäßig net gepackt. "Net! Was mach'sch denn?", hab i g'schrie. "Nur hebe! Doch
net lüpfe!" Vor Schreck isch'm die Bücherschachtel aus de Händ g'rutscht un
umgekippt vor d'Füß g'falle. "Ja was denn nun?", hat er entnervt g'frogt. Ich hab
lache müsse, hab'm zur Beruhigung uff d'Schulter geklopft un ihm in Gotts Name
nochemol erklärt: "Ich hab doch klar und deutlich hebe g'sagt. Net hochlüpfe. Halt
hebe. Hebe haißt nix mache, bloß net falle lasse! " Er hat sich an d'Stirn
g'schlage. "Ach so, du meinst halten!" An dem Dag hat er widder viel g'lernt.
Inzwische kommt des zackiche "Wie bitte?" vom Jens Schönemann viel seltener in
unsere Unnerhaltunge g'fahre. Un wenn i mi net verhört hab, isch'm kürzlich sogar e
"Hä?" rausg'rutscht." (von Harald Hurst)